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Volume 16, Number 2

Clinical Article

Neugeborenen-Hörscreening in Hessen, Deutschland – ein Pilotprojekt

Katrin Neumann,1 Volker Gall,1 Roswitha Berger2

1Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland

2Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Philipps - Universität, Marburg, Deutschland

Korrespondenzadresse: Dr. Katrin Neumann, Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. Main, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt a. Main, Deutschland

Diese Studie wurde vom Hessischen Sozialministerium finanziert.

Teile dieses Artikels wurden auf der NHS 2000 – International Conference on Newborn Hearing Screening, Diagnosis and Intervention, Milano, 12.-14. Oktober 2000, präsentiert


Zusammenfassung

Hessen ist das siebentgrößte Bundesland Deutschlands. Ungefähr 60 000 Kinder werden hier jährlich geboren. Das Hessische Sozialministerium und die Universitätskliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie in Frankfurt am Main und Marburg gründeten eine Arbeitsgruppe zur Einführung eines universellen Neugeborenen-Hörscreenings in Hessen. Zwei Schwerpunkte dieses Modells sollen hier vorgestellt werden:

    1. eine multizentrische Studie zur Evaluation zweier neuer Screening-BERA-(brainstem electric response audiometry)Geräte
    2. die Entwicklung eines Screening-Programms, das die spezifisch hessischen regionalen Besonderheiten beachtet.
    1. Die vorläufigen Ergebnisse weisen Messzeiten unter 4 Minuten mit beiden Geräten auf, weiterhin kurze Untersuchungszeiten und eine hohe Validität.
    2. Das Programm muss eine mindestens 95%ige Erfassungsrate der Neugeborenen und eine Testauffälligen-Rate von weniger als 4 % garantieren. Es hat ein Follow-up ohne Zwischenschritte zwischen Primärscreening und endgültiger pädaudiologischer Diagnostik, ein Tracking und eine zentrale Datenerfassung einzubeziehen.

Schlüsselworte: Neugeborenen-Hörscreening, akustisch evozierte Hirnstammpotentiale, Hörstörung

Einleitung

Ausgangssituation

Man kann davon ausgehen, dass ein bis zwei von tausend Kindern in Deutschland mit einem permanenten bilateralen behandlungsbedürftigen Hörschaden geboren werden.1,2 Je früher ein solcher Hörschaden behandelt wird, umso geringer sind die Störungen von Sprache, Hören und sozialer Entwicklung des betroffenen Kindes.3 Obwohl moderne Techniken für die Erkennung von Hörschäden existieren, wird die Diagnose eines bilateralen permanenten kongenitalen Hörschadens in Deutschland im Durchschnitt mit 31 Monaten gesichert.4 Zu diesem Zeitpunkt ist die Entwicklung der Hörbahn im allgemeinen bereits abgeschlossen. Wenn die Behandlung einer Hörstörung bis zu diesem späten Zeitpunkt nicht begonnen hat, wird jede weitere Entwicklung von Hören und Sprache solcher Kinder defizitär bleiben.5,6,7,8 Entsprechend den Forderungen der Weltgesundheitsorganisation, 1995, und den Positionspapieren der National Institutes of Health, 1993, des Joint Committee on Infant Hearing, 1994, 2000, der American Academy of Pediatrics, 1999 und der European Consensus Development Conference of Neonatal Hearing Screening vom 15. bis 16. Mai 1998 in Milano, 1998 gründeten daher die Kliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Philipps - Universität Marburg zusammen mit dem Hessischen Sozialministerium eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel, ein universelles Neugeborenen-Hörscreening in Hessen einzuführen.9,10,11,12,13,14

Hessen ist das siebentgrößte Bundesland Deutschlands (Abb. 1) und hat die fünftgrößte Bevölkerung (5,9 Millionen Einwohner). Es liegt etwa in der Mitte Deutschlands. Ungefähr 60 000 Kinder werden hier jährlich geboren. Etwa 98 % dieser Babys kommen in hessischen Kliniken zur Welt. Post partem verteilen sie sich auf 81 Geburtskliniken und 14 neonatologische Kliniken. Die restlichen 1000 bis 1200 Babys setzen sich aus 600 bis 700 Neugeborenen zusammen, deren Mütter nahe der hessischen Landesgrenzen wohnen und in anderen Bundesländern entbinden, weiterhin aus 400 bis 600 Babys, die - betreut von Hebammen - zu Hause oder in Geburtshäusern geboren werden. Es gibt etwa 50 Hebammen in Hessen, die Hausgeburten betreuen und 7 Geburtshäuser (Abb. 2). Während die Zahl der Hausgeburten relativ konstant bleibt, erhöht sich die Anzahl der Geburten, nach denen die Mütter die Kliniken innerhalb 24 Stunden verlassen (ambulante Geburten). Wegen der hohen Anzahl von Klinikgeburten bietet sich ein Screening in den Kliniken in Hessen an.15

Die Etablierung eines hocheffektiven universellen Neugeborenen-Hörscreening-Programms für Hessen hat bestimmte Qualitätskriterien zu erfüllen.

Eine Initiativgruppe für universelles Neugeborenen-Hörscreening in Deutschland, die aus Phoniatern/Pädaudiologen besteht und der die Autoren angehören, stellte Richtlinien für ein qualitativ hochwertiges Screening - Programm auf, die den Forderungen aus den oben erwähnten Positionspapieren entsprechen.12,13,14 Diese enthalten die folgenden Schwerpunkte:

  1. Ein universelles Neugeborenen-Hörscreening-Programm soll so viele Geburten einer Region wie möglich erfassen, mindestens aber 95 %.
  2. Die Rate Testauffälliger in einem Primär-Screening (das ein oder zwei Untersuchungen beinhaltet) sollte 4 % bei Nicht-Risiko-Trägern nicht überschreiten.
  3. Mindestens 95 % der testauffälligen Babys sollten in einem Follow-up-Programm erfasst werden.
  4. Das Follow-up sollte klar organisiert sein, wobei die Eltern mit einer Adressenliste qualifizierter regionaler Ansprechpartner ausgestattet werden.

Eine komplette pädaudiologische Diagnostik sollte innerhalb von 3 Monaten abgeschlossen sein.

Zur Qualitätssicherung zählen weiterhin: die zentrale Erfassung und Auswertung qualitätsrelevanter Daten, ein Tracking-System und die Anleitung und Supervision des screenenden Personals.

Aufgabe unserer Arbeitsgruppe ist die Konzeptionierung und die schrittweise Implementierung eines gut funktionierenden Screening-Programms in Hessen, das die aufgeführten Qualitätskriterien erfüllt. Ein Teil des Programmes ist die Untersuchung der technischen Voraussetzungen für ein solches Screening. Dabei muss eine Technik gewählt werden, die eine Retest-Rate von nicht mehr als 4 % nach Klinikentlassung gewährleistet. Das ist derzeit möglich mit Screening-BERA und kombinierten OAE (otoakustische Emissionen) – Screening-BERA-Messungen.14,16,17,18,19 .

Daher läuft gegenwärtig an den Universitätskliniken Frankfurt am Main und Marburg im Anschluss an eine Pilotstudie eine 8 Monate andauernde Modellstudie, die zwei neue Screening-BERA-Geräte testet. Nach Beendigung der Studie soll das Screening in Hessen eingeführt werden. Beides, die bislang erhaltenen Studienergebnisse und die Konzeption des Screening - Programms sollen hier vorgestellt werden.

Methode

Pilotstudie

Zunächst wurde eine Pilotstudie durchgeführt, in der 55 Risiko-Neugeborene in der Klinik für Neonatologie der Universitätskliniken Frankfurt am Main untersucht wurden. Die Messungen wurden mit zwei TEOAE-(transiente evozierte otoakustische Emissionen)Geräten und einem Screening-BERA-Gerät (Evoflash®, Abb. 3) durchgeführt. Nur die Screening-BERA-Messungen sind hier in die Auswertung einbezogen.

Modellstudie

Als nächster Schritt läuft derzeit eine Modellstudie an den Universitätskliniken Frankfurt am Main und Marburg, die zwei neue Screening-BERA-Geräte testet: BERAphon® (Abb. 4a und b) und Evoflash®. Eingeschlossen sind alle Neugeborenen, die in den genannten Kliniken während eines achtmonatigen Zeitraumes zur Welt kommen. Dieses Babys verteilen sich auf die Geburtsstationen und die neonatologischen Einrichtungen. Das Screening wird durch qualifiziertes Personal ausgeführt, das über Audiometrieerfahrungen verfügt. Das ist sinnvoll, weil dieses pädaudiologische Fachpersonal zukünftig Krankenschwestern und Ärzte im Gebrauch der Geräte anleiten wird. Andererseits müssen zusätzliche Fehlerquellen, wie Bedienungsfehler der Geräten (keines von ihnen ist bislang ausreichend an Neugeborenen evaluiert worden) ausgeschlossen werden.

Das Screening wird jeden zweiten und/oder dritten Tag ausgeführt.

In Frankfurt am Main wird ein einohriges Screening mit beiden Geräten durchgeführt, um diese vergleichen zu können. In Marburg wird mit einem Gerät beidohrig getestet, um realistische Untersuchungszeiten für ein beidohriges Screening zu erhalten. Neben den eigentlichen Screening - Resultaten werden die Messzeit und die Gesamt - Untersuchungszeit erfasst, wobei die letztere sich aus der Vorbereitungszeit des Babys (Lagerung, Hautpräparation, Platzierung der Elektroden), der Dokumentation und einem sehr kurzen Gespräch mit den Eltern des Neugeborenen zusammensetzt. Im Falle eines auffälligen Testergebnisses werden, wenn möglich, ein Re-Test ausgeführt und eine Dokumentation von Risikofaktoren vorgenommen. Zusätzlich wird die Bedienfreundlichkeit, die Fehlerhäufigkeit, die Zahl der Messabbrüche und die Möglichkeit der Behebung von kleineren Defekten und Havarien durch das screenende Personal erfasst.

Ergebnisse

Die hier vorgestellten Resultate sind die der Screening-BERA-Messungen der Pilotstudie und die vorläufigen Ergebnisse der Modellstudie nach einer fünfmonatigen Laufzeit.

Pilotstudie

In der Auswertung der Pilotstudie (Tab. 1), die an 55 Risikoneugeborenen ausgeführt wurde, ist die hohe Rate hörgestörter Babys auffällig. Ihr (teilweise auch nur anfänglicher) Hörverlust wurde in einer pädaudiologischen Diagnostik bestätigt. Falsch positive Ergebnisse wurden nicht verzeichnet.

Modellstudie

Vorläufige Ergebnisse sind in den Tabellen 2,3,4 und 5 dargestellt. Für einen Grossteil der Messungen sind die Ergebnisse zwischen beiden Geräten nur bedingt vergleichbar (Tab. 2,3,4), da die Entwicklung des BERAphon® - Algorithmus erst kürzlich beendet war. Aktuelle Resultate mit dem BERAphon® - Algorithmus sind in Tabelle 5 dargestellt.

Die Messzeiten rangieren zwischen einer und zwei Minuten für das BERAphon® (mit und ohne Algorithmus) und zwischen zwei und vier Minuten für das Evoflash®. Die gesamte Untersuchungszeit bleibt unter sechs Minuten für das BERAphon® und unter zehn Minuten für das Evoflash® während eines einohrigen Screenings und unter fünfzehn Minuten für beide Geräte in einem beidohrigen Screening. Alle Neugeborenen, die am Ende des Primärscreenings mit dem BERAphon® auffällig waren, zeigten ebenfalls mit dem Evoflash® auffällige Messergebnisse.

Bemerkenswert ist, dass während des stationären Aufenthaltes bei weniger als 50 % aller testauffälligen Neugeborenen, ein Re-Screening nicht mehr möglich war.

Endgültige Daten über die Resultate nach der Diagnostik in den Kliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie sind noch unvollständig. Es ist jedoch bemerkenswert, dass acht hörgestörte Babys unter den zehn bereits pädaudiologisch nachuntersuchten Kindern waren. Bei vier von ihnen konnte eine verzögerte Hörbahnreifung festgestellt werden. Diese Verzögerung verschwand in der darauffolgenden Zeit.

Ohne gleichzeitige Einführung eines Trackings würden die vorläufigen Ergebnisse eine Loss-to-follow-up-Rate von circa 35% bedeuten.

Diskussion

Im Folgenden werden schwerpunktmäßig die vorläufigen Ergebnisse der Pilot- und Modellstudie und die Konzeption des hessischen Screening – Programms diskutiert.

Pilotstudie

Alle im Primärscreening testauffälligen Kinder erwiesen sich in der endgültigen pädaudiologischen Diagnostik als hörgestört. Der hohe Anteil hörgestörten Kinder an der Gesamtpopulation unterstreicht die Notwendigkeit eines Neugeborenen-Hörscreenings, mindesten der Risikobabys.20

Modellstudie

Obwohl einige gut evaluierte Screening-BERA-Geräte im Ausland verfügbar sind, werden aus der Notwendigkeit, den spezifisch regionalen Anforderungen Hessens gerecht zu werden, zwei deutsche Geräte evaluiert. Eine dieser Anforderungen besteht darin, die regionale technische Entwicklung zu fördern, um einen Einfluss auf sie zu haben und einen guten Service zu sichern. Von Bedeutung ist weiterhin, die Screening - Kosten so niedrig wie möglich zu halten und gleichzeitig einen hohen Qualitätsstandard zu sichern. Ausländische Geräte sind deutlich weniger kosteneffektiv als einheimische und benötigen oft teure Einwegmaterialien, wie beispielsweise Ohrkoppler. Eine Erwartung an diese Studie ist die einer Reduktion der bislang angenommenen Screening – Kosten durch eine Verkürzung der Untersuchungszeit und technische Neuerungen des Testequipments.

Der Zeitgang - Stufenreiz des BERAphons® scheint in der Lage zu sein, akustisch evozierte Potentiale hoher Stabilität hervorzurufen. Das zeitraubende Kleben von Elektroden ist hierbei nicht nötig, weil Dauerelektroden lediglich an den Kopf des Kindes gehalten werden müssen. Sie werden nach Benutzung desinfiziert. Die sehr schnelle Zeitgang – Stufenreiz - Messung und die speziellen Dauerelektroden führen zu einer Verkürzung der Gesamtuntersuchungszeit, was das Screening deutlich kosteneffektiver macht. Die Re-Testrate des BERAphon® MB 11 (mit Algorithmus) ist noch nicht interpretierbar, weil die Untersuchungen mit dem erst kürzlich entwickelten Algorithmus erst neuerdings starteten. Wenn der Algorithmus zuverlässig ist, wie es zunächst scheint, werden hier die Vorzüge der hohen Sensitivität und Spezifität der Screening-BERA mit denen kurzer Mess- und Untersuchungszeiten kombiniert.

Mess- und Untersuchungszeiten sind länger, aber noch akzeptabel für das Evoflash®. Die Re-Testrate des Evoflash® von circa 7 % erscheint relativ hoch. Sie liegt in der Größenordnung wie in einer Studie von Heinemann und Bohnert, 2000, berichtet.21 Wahrscheinlich benötigt hier das Equipment noch weitere Verfeinerungen. Da jedoch ein Risikokollektiv in der in der Studie getesteten Gesamtpopulation enthalten ist, wird die hohe Re-Testrate erst interpretierbar sein, wenn die endgültigen Ergebnisse der pädaudiologischen Diagnostik eine verwertbare Information über die Validität des Tests liefern.

Weniger als die Hälfte der im Ersttest auffälligen Babys, wurden ohne einen zweiten Test aus der stationären Behandlung entlassen. In der Praxis scheint daher ein tägliches Screening notwendig zu sein, insbesondere wenn sich die Aufenthaltsdauer der Wöchnerinnen in Zukunft verkürzt.

Screening - Programm

Die Konzeption eines Screening - Programms hat die in der Einleitung beschriebenen Qualitätskriterien zu integrieren. All diese Punkte hatten auch für Hessen unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Umstände in dieser Region in die Planung einzufließen.

Wie können so viel wie möglich Neugeborene innerhalb einer Region erfasst werden?

Da etwa 99 % der Babys in Kliniken geboren werden, erweist sich ein Klinik – Hörscreening als ideal für Hessen. Das Screening wird durch Krankenschwestern ausgeführt werden, die zuvor eine spezielle Anleitung erhalten haben.

Die Eltern der Babys, die zu Hause oder in Geburtskliniken geboren werden, erhalten Adressenlisten von Phoniatern/Pädaudiologen und HNO-Ärzten mit Teilgebietsbezeichnung oder Zusatzausbildung für Phoniatrie und Pädaudiologie, die in ein zentral organisiertes Netzwerk eines Neugeborenen-Hörscreenings eingebunden sind.

Wie ist eine Testauffälligen - Rate von unter 4 % bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus zu erreichen?

Hier ist zu beachten, dass in Zukunft die Verweildauer der Wöchnerinnen auf den Geburtsstationen durchschnittlich nicht mehr als ein bis drei Tage betragen wird. Der erste Lebenstag ist nur bedingt geeignet für ein Screening, da häufig Detritus oder Flüssigkeit den äußeren Gehörgang und das Mittelohr verlegen. So bleibt oft nur ein Tag auf der Geburtsstation für das Screening. Daher sollte die gewählte Screening - Methode relativ robust gegenüber Mittelohrproblemen sein, um ein zeitaufwendiges Re-Screening zu reduzieren, wie es in einem höheren Prozentsatz bei einem allein auf die Messung otoakustischer Emissionen (OAE) gegründeten Screening notwendig ist.16 Ein BERA-Screening oder ein Stufen - Screening mit einer initialen Messung von OAE und im Falle eines auffälligen Ergebnisses einer Screening-BERA könnte das ermöglichen.2,14,17,19,21 Kombinationsgeräte für ein OAE-BERA-Screening sind erst neuerdings in Deutschland verfügbar geworden und es bedürfen weiterer Evaluation, bevor sie in der Praxis eingesetzt werden können.

Wie kann ein qualifiziertes Follow-up von mindestens 95 % der im Primärscreening testauffälligen Babys gewährleistet werden?

Zeigt ein Baby im Screening ein auffälliges Ergebnis, erhalten die Eltern des Kindes vom Stationsarzt mündliche und schriftliche Information, bevor sie die Geburtsklinik verlassen. Sie bekommen weiterhin Adressen von phoniatrisch-pädaudiologischen Einrichtungen und HNO-Ärzten mit Zusatzausbildungbezeichnung oder Teilgebietsbzeichnung für Phoniatrie und Pädaudiologie. Wenn die letztendliche Re-Testrate nach Primärscreening in den Geburtseinrichtungen nicht höher als 4 % ist, werden in Hessen 46 testauffällige Babys pro Woche zu untersuchen sein. Die Kapazität der genannten Einrichtungen wird ausreichen, um eine qualifizierte und entgültige pädaudiologische Diagnostik in einem zweiten Schritt zu gewährleisten.

Wie ist eine Qualitätsgarantie zu gewährleisten?

Der Hauptfaktor der Sicherung eines hohen Qualitätsniveaus besteht in der Tatsache, das kein Zwischenschritt zwischen primären Screening und endgültiger Diagnostik in den spezialisierten pädaudiologischen Kliniken und Praxen notwendig ist.

Damit werden zeitraubende Untersuchungen in einer großen Zahl von Arztpraxen unnötig und eine Menge von Wiederholungsuntersuchungen wird vermieden.

Derzeit wird ein datenbankbasiertes Netzwerk in Hessen erstellt, in das künftig alle Daten der screenenden Einrichtungen eingespeist werden sollen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Qualitätssicherung ist ein Tracking, das die Familien mit testauffälligen Babys erfasst und insbesondere diejenigen erreicht, die keine pädaudiologische Einrichtung konsultiert haben.

Eine zertifizierte Ausbildung des screenenden Personals wird durch die Kliniken für Phoniatrie und Pädaudiologie in Frankfurt und Marburg gewährleistet werden. Sie wird in Form halbjährlicher Seminare stattfinden.

Schlussfolgerung

Wegen des hohen Anteils an Klinikentbindungen scheint ein Programm für ein klinikbasiertes universelles Neugeborenen-Hörscreening sinnvoll für Hessen zu sein. Die Zunahme der Zahl ambulanter Geburten und die allgemeine Verkürzung der Liegezeiten in den Geburtskliniken fordert eine Screening - Technik mit hoher Spezifität. Das kann durch ein BERA-Screening gewährleistet werden oder durch ein Zwei-Stufen-OAE-BERA-Screening.

Vorläufige Ergebnisse der Modellstudie belegen, dass insbesondere das BERAphon® MB11 dieser Anforderungen zu erfüllen scheint und Untersuchungszeit und damit Kosten zu sparen scheint. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Algorithmen beider Geräte, des BERAphons® MB 11 und des Evoflash® zu evaluieren. Nach der Beendigung der Studie im März 2001 wird das Screening-Programm graduell in Hessen implementiert werden.

Gegenwärtig finden Verhandlungen mit Vertretern der Krankenkassen bezüglich der Finanzierung des Screenings statt. Hessen wird möglicherweise das erste Bundesland in Deutschland sein, das in der Lage sein wird, ein generalisiertes Neugeborenen-Hörsceening mit Hilfe eine zentral organisierten und kontrollierten Screening - Programms auszuführen. Das kann einen solchen Schritt in anderen Bundesländern erleichtern helfen.

Danksagung

Ich möchte Prof. E. Stürzebecher von der Abteilung Medizinische Akustik der Hals – Nasen – Ohren - Klink, weiterhin Frau B. Ebert, Frau M. Schmitz und Frau B. Kiefer für ihre Kooperation und die Unterstützung dieser Studie danken.

Literatur

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  4. Hartmann H, Hartmann K. „Früh"erkennung? Memorandum zur Früherkennung und Frühförderung hörgeschädigter Kinder. ed. Bundesgemeinschaft der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder e.V. Hamburg;1993.
  5. Pujol R, Lavigne-Rebillard M. Development of neurosensory structures in the human cochlea. Acta Otolaryngol (Stockh). 1992;112:259-264.
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  12. Joint Committee on Infant Hearing. 2000 Position Statement: Principles and Guidelines for Early Hearing Detection and Intervention Programs. Am J Audiol. 2000:9;9-29.
  13. Europäischer Konsens zum Neugeborenen-Hörscreening, Verabschiedet auf der European Consensus Development Conference on Neonatal Hearing Screening, 15.-16. Mai 1998 in Mailand. Geers-Stiftung, Bd. 12.1998.
  14. American Academy of Pediatrics (Task Force on Newborn and Infant
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  21. Heinemann M, Bohnert A. Hörscreening bei Neugeborenen. Vergleichende Untersuchungen und Kostenanalysen mit verschiedenen Geräten. Laryngo-Rhino-Otol. 2000;79:453-458.

Tabellen

Tabelle 1 - Ergebnisse der Pilotstudie: beidohriges Screening von Risiko - Babys mit dem

Screening - BERA - Gerät Evoflash®. Auffällig ist der hohe Anteil an hörgeschädigten Kindern.

*Gesamt - Untersuchungszeit bestehend aus Vorbereitungszeit des Babys (Lagerung, Hautpräparation, Platzierung der Elektroden), Dokumentation und einem sehr kurzen Gespräch mit den Eltern.

 

 

Evoflashâ
Fallzahl 55
Messzeit pro Ohr 2:04 min
Gesamt - Untersuchungszeit* 9:50 min
Testauffällige nach erstem Screening (30 dB) 9,09 % (5 Fälle)
Testauffällige nach Re-Test 9,09 % (5 Fälle)
Pädaudiologische Diagnostik 9,09 % (5 Fälle) hörgestört (1 verzögerte Hörbahn-Reifung, 2 hochgradige Innenohr-Hörstörungen, 1 geringgradige Innenohr-Hörstörung, 1 Mittelohr-Hörstörung bei Pierre-Robin-Syndrom

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Tabelle 2 - Ergebnisse der Modellstudie in Frankfurt am Main nach einer fünfmonatigen Screening - Periode: einohriges Screening aller Babys (einschließlich Risiko – Babys) mit zwei Screening-BERA-Geräten (BERAphon® und Evoflash®).

*Die Daten sind nur bedingt vergleichbar, da die BERAphon® - Messungen ohne automatisieren Algorithmus durchgeführt wurden. Dieser ist erst neuerdings verfügbar. 

 

 

BERAphonâ *

Evoflashâ

Fallzahl 218

davon 189 auswertbar

218

davon 206 auswertbar

Messzeit pro Ohr (40 dB) 1:34 min 3:19 min
Messzeit pro Ohr (30 dB) 1:36 min 2:29 min
Gesamt - Untersuchungszeit 5:43 min 9:57 min
Abbrüche, Wiederholungsmessungen auf Grund von Unruhe des Babys und ungünstigen Ableitbedingungen (EEG) 1 Fall 5,50 % (12 Fälle)
Testauffällige nach erstem Screening (40 dB) 2,12 % (6 Fälle) 7,73 % (16 Fälle), davon 1 Risiko-Baby
Testauffällige nach erstem Screening (30 dB) 2,12 % (6 Fälle), davon 0 Risiko-Babys 15,53 % (32 Fälle), davon 5 Risiko-Babys
Testauffällige nach Re-Test

2-3 Tage nach Erstuntersuchung (40 dB)

nur in 2 Fällen durchführbar, davon 1 Baby auffällig nur in 7 Fällen durchführbar, davon 2 Babys auffällig
Testauffällige nach Re-Test (30 dB) nur in 2 Fällen durchführbar, davon 1 Baby auffällig nur 12 Fällen durchführbar, davon 2 Babys auffällig
Pädaudiologische Diagnostik noch nicht abgeschlossen,

2 Babys untersucht, davon 1 Fall einseitig auffällig

noch nicht abgeschlossen

5 Babys untersucht, 3 davon auffällig (verzögerte Hörbahnreifung)

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Tabelle 3 - Modellstudie in Marburg nach einer fünfmonatigen Screening - Periode: beidohriges Screening von gesunden Babys mit entweder dem BERAphon® oder dem Evoflash®.

*Die Daten sind nur bedingt vergleichbar, da die BERAphon® - Messungen ohne automatisieren Algorithmus durchgeführt wurden. Dieser ist erst neuerdings verfügbar.

 

 

BERAphonâ * Evoflashâ
Fallzahl 140 70
Messzeit pro Ohr 2:00 min 4:00 min
Gesamt - Untersuchungszeit 14:00 min 13:00 min
Abbrüche, Wiederholungsmessungen auf Grund von Unruhe des Babys und ungünstigen Ableitbedingungen (EEG) 6 Fälle

4 x Unruhe, 2 x schlechte Ableitbedingun-gen (EEG), obwohl Babys schliefen

5 Fälle

2 x Unruhe

3 x schlechte Ableitbedingun-gen (EEG)

Testauffällige nach erstem Screening 2 Fälle 0 Fälle
Testauffällige nach Re-Test 2 Fälle 0 Fälle
Pädaudiologische Diagnostik 1 Baby untersucht, unauffällig,

1 Baby nicht zur Diagnostik erschienen

 

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Tabelle 4 - Ergebnisse der Modellstudie in Frankfurt am Main und Marburg nach einer fünfmonatigen Screening - Periode: Gesamtergebnisse des Screenings mit zwei Screening - BERA - Geräten (BERAphon® und Evoflash®).

*Die Daten sind nur bedingt vergleichbar, da die BERAphon® - Messungen ohne automatisieren Algorithmus durchgeführt wurden. Dieser ist erst neuerdings verfügbar. 

 

 

BERAphonâ * Evoflashâ
Fallzahl 358

davon 329 auswertbar

343

davon 331 auswertbar

Zahl der Ohren 469 456
Testauffällige nach erstem Screening 2,43 % (8 Fälle), davon kein Risiko-Baby 6,12 % (21 Fälle), davon 6 Risiko-Babys
Testauffällige nach Re-Test nur in 4 Fällen durchführbar, davon 3 Babys auffällig nur in 12 Fällen durchführbar, davon 7 Babys auffällig
Pädaudiologische Diagnostik noch nicht abgeschlossen,

3 Babys untersucht, davon 1 Baby einseitig auffällig

noch nicht abgeschlossen

10 Babys untersucht, 80 % auffällig (8 Fälle; 4 x verzögerte Hörbahnreifung, 2 hochgradige, 1 geringgradige Innenohr-Hörstörung, 1 Mittelohr-Hörstörung)

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Tabelle 5 - Ergebnisse der Modellstudie in Frankfurt am: Erste Ergebnisse eines einohrigen Screenings mit dem Screening - BERA - Gerät BERAphon® MB 11 mit automatisiertem Algorithmus.

 

 

BERAphon MB11â
Fallzahl 35

davon 33 auswertbar

Messzeit pro Ohr (35 dB) 1:89 min
Gesamt - Untersuchungszeit 4:14 min
Testauffällige nach erstem Screening 6,6 % (2 Fälle), darunter keine Risiko - Babys

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